Übergangsmanagement aus Sicht der Freien Straffälligenhilfe
„Das Schlimmste am Gefängnis ist die Entlassung“.
von Heike Clephas, Leiterin der Beratungsdienste des Chance e.V. Münster und langjährige ehemalige Sprecherin der vom Justizministerium NRW geförderten ZentralenBeratungsstellen
In zwei Vorträgen, die ich im vergangenen Jahr zum Thema gehalten habe, habe ich einen entscheidenden Satz aus einer Pressemitteilung des Justizministeriums NRW zitiert:
„Das Schlimmste am Gefängnis ist die Entlassung“.
Damit diese Aussage in Zukunft nicht mehr zutreffend ist, arbeitet die Freie Straffälligenhilfe (auch in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium NRW) intensiv an der Umsetzung des sogenannten Übergangsmanagements.
Vorrausschickend ist es aber wichtig zu sagen, dass die vielfältigen Angebote der vom Justizministerium NRW geförderten Zentralen Beratungsstellen für Inhaftierte und Haftentlassene, schon viele Jahre dem Ziel der Integration der Betroffenen dient.
Weiterhin haben die Zentralen Beratungsstellen in folgenden Arbeitsgruppen zum Thema Übergangsmanagement (ÜM) mitgearbeitet bzw. sie sogar
initiiert:
2004 – 2007: Drei Veranstaltungen „Optimierung der Entlassungsvorbereitung“ der Zentralen Beratungsstellen
2007: AG „ÜM zur Integration Inhaftierter“ in Zusammenarbeit Freier Träger der Straffälligenhilfe und sozialen Diensten der Justiz. Erstellung eines Grundsatz-papiers
Seit 2014: Fachgruppe – Justizakademie
2011 – 2013: AG ÜM im Justizministerium NRW. Erstellung eines Abschlussberichtes zur Vorlage an den Justizminister NRW
Ein Auszug aus der Arbeit/den Ideen sei im nachfolgenden kurz beschrieben.
Die Entlassungsvorbereitung beginnt im günstigen Fall bereits mit der Aufnahme des Inhaftierten durch die Justizvollzugsanstalt. Im sogenannten Aufnahmecheck werden Fragen bezüglich der familiären Situation, der Wohnung, der persönlichen Angelegenheiten, der finanziellen, der gesundheitlichen und der beruflichen Situation etc. geklärt.
Für die Erledigung der unterschiedlichen Aufgaben sind u.a. die sozialen Dienste der Justiz zuständig. Beispielsweise wird festgestellt, ob es externe Kontakte gibt, die benachrichtigt werden müssen.
Sobald die Entlassung vorbereitet werden kann, ist die Beantwortung folgender Fragen von hoher Bedeutung:
- Was sind die Bedarfe für die Haftentlassung?
- Was ist für Inhaftierte wichtig, um die Entlassung optimal vorzubereiten?
- Welche Kooperationspartner sind wichtig?
Im Idealfall wird sich hier des Entlassungschecks bedient.
Nachfolgendes Beispiel mit Punkten, die es abzuklären gilt:
Wohnsituation
- Haben Sie eine Unterkunft zum Entlassungszeitpunkt?
- Falls ja: wie lautet die Entlassungsanschrift?
Papiere
- Haben Sie einen gültigen Personalausweis?
- Besitzen Sie weitere gültige Dokumente?
- Sozialversicherungsausweis
- Wohnberechtigungsschein
- Krankenversicherungsnachweis
- Führerschein
- Sonstige
- Falls ja: wo befinden sich die Dokumente?
Externe Kontakte
- Gibt es Angehörige / Bekannte, die Sie bei Ihrer Entlassung unterstützen können?
- Möchten Sie im Rahmen Ihrer Entlassungsvorbereitung mit einer Hilfeeinrichtung Kontakt aufnehmen?
- Bewährungshilfe / Führungsaufsichtsstelle
- Suchtberatung
- Schuldnerberatung
- Beratungsstelle für Haftentlassene
- Aids-Hilfe
- Ausländerbehörde
- Sonstiges
Arbeit
- Haben Sie nach Ihrer Entlassung eine Arbeitsstelle?
- Falls ja: Name und Anschrift des Arbeitgebers
u.v.m.
Fragen, die mit nein beantwortet werden, müssen selbstverständlich zufriedenstellend gelöst werden.
Wichtige Kooperationspartner können dann sein:
- Ambulante Soziale Dienste der Justiz
- Freie Straffälligenhilfe
- Bewährungshilfe – Führungsaufsichtsstelle
- Beratungsstellen (z.B. Suchtberatung, Aidshilfe, Schuldnerberatung …)
- Behörden (z.B. Agentur für Arbeit , Jobcenter …)
- Ehrenamtliche
Eine Entlassungsvorbereitung im Rahmen eines gelungenen Übergangsmanagements an folgendem Fallbeispiel beim Chance e.V. Münster:
Ein Inhaftierter, alleinstehend und wohnungslos, wird entlassen und bekommt zunächst im Übergangswohnen der Zentralen Beratungsstelle des Chance e.V. einen sogenannten Nutzungsvertrag für drei Monate. In dieser Zeit erhält er Unterstützung bei der dauerhaften Wohnungssuche. Eine Arbeit findet er mit Hilfe der Gemeinschaftsinitiative B5 (die berufliche Situation wurde bereits während der Haftzeit analysiert. Der Inhaftierte konnte in der JVA eine Ausbildung absolvieren und wurde durch den B5-Mitarbeiter in der Entlassungsvorbereitung bereits zum Ende der Haftzeit in Arbeit vermittelt. Nach der Haft betreut ihn die Nachsorgestelle weiter und steht sowohl dem ehemaligen Inhaftierten, als auch dem Arbeitgeber als Ansprechpartner zur Verfügung), bezüglich seiner Schuldensituation wird er adäquat (zertifizierte Schuldnerberaterin) beraten und auch etwaige Suchtproblematiken werden erfolgreich bearbeitet. Es besteht Kontakt zum zuständigen Bewährungshelfer. Er wird nicht rückfällig, erhält nach einer Probezeit einen unbefristeten Arbeitsvertrag und findet eine Wohnung.
Abschließend ist zu sagen, dass das Übergangsmanagement für Haftentlassene zwar viel thematisiert wird, es jedoch bisher nur bei B5 und im Suchtbereich eine verbindliche Regelung gibt. Hieran gilt es für alle Beteiligten weiter zu arbeiten und das Ziel unbeirrt zu verfolgen.
Denn es dient der optimalen Entlassungsvorbereitung und -begleitung, der Haftvermeidung und dem Opferschutz.